Winkekatze

Vor vielen Jahren in Hamburg fuhr ich einen alten Mini Cooper. Der war bretthart, klitzeklein und fuhr 170km/h. Wann immer man im Straßenverkehr einem anderen Minifahrer begegnete, grüsste man sich.

Das war für die eher reservierten Hanseaten schon eine sehr emotionale Angelegenheit. Es war nämlich nicht – wie man vermuten könnte – so eine hanseatisch zurückhaltende dezente Geste. Es war mehr eine Mischung aus wahrem Respekt, Verwunderung und hysterischer Ungläubigkeit.

Zu Recht! Denn so ein alter Mini war schließlich unberechenbar. Ob er ansprang oder wie weit man damit kommen würde, war stets ungewiss.

Man konnte das Türschloss mit dem Briefkastenschlüssel öffnen – als ich das bemerkte, habe ich den Mini gar nicht mehr abgeschlossen. Bei meinem ersten Besuch in einer Waschanlage, lief das Wasser wie ein Wasserfall durch die hinteren Kippfenster. Die Fenstergummis waren geschrumpft.

Einmal stand an einer roten Ampel ein neuer und einer der letzten Mini Sondereditionen neben mir. Der Fahrer fragte mich „ist Dir auch schon mal der Motorblock rausgeflogen?“ Es gibt Fragen, auf die hab nichtmal ich ne Antwort.

Mein Fazit: wenn man solche Schicksale teilt, dann ist eine Begrüssung im Vorbeifahren das Mindeste, was man einander schuldig ist.

Den Mini habe ich schon lange nicht mehr. Vermutlich hat der sich inzwischen selbst kompostiert.

Jetzt fahre ich Motorrad. Auch da wird gegrüsst. Das ist nur sehr viel komplexer.

Es gibt nämlich unter den Motorradfahrern eine ausgeklügelte Hierarchie – man selbst ist immer in der obersten Kaste – auf den Rest wird milde oder mitleidig heruntergesehen.

Es gibt die Oldtimer, die vollverkleideten Rennmaschinen, die Cafe-Racer, die Cross Maschinen, Bobber, Cruiser, die Goldwingfahrer (obwohl, die gehören eigentlich zur Familie der Wohnmobile) und viele mehr….

Zunächst ist also wichtig zu erkennen, wer einem da überhaupt entgegenkommt.

Harleyfahrer zum Beispiel haben den Ruf, nur Harleyfahrer zu grüssen. Ich fahr keine Harley, grüsse die aber trotzdem, weil die sich so schön ärgern dann.

Auf meiner ersten längeren Fahrt nach Brandenburg, kam mir auf der Landstrasse mal eine grosse Gruppe Motorradlichter entgegen. Bestimmt 25 Fahrzeuge. Ich war ganz aufgeregt und hob schon früh und gut sichtbar die linke Hand zum Gruss. Ich wollte es mir ja auf meiner ersten Ausfahrt nicht gleich mit einer Gruppe Rocker verscherzen! Als ich bemerkte, dass es eine Gruppe Mofa-Fahrer war, war es schon zu spät. Auf der Strasse kann ich mich jedenfalls nicht mehr blicken lassen!

Und wenn man Motorrad fährt, hat man ja eh schon so viel zu tun. Man muss alle anderen Verkehrsteilnehmer im Blick haben, blinken, abbiegen, über´s Leben nachdenken, kuppeln, schalten, bremsen und dabei aussehen , als hätte man das alles im Griff. Und dann kommt noch ein Motorrad und man muss erkennen, ob das jetzt ne Mofa, ne Harley oder Gott-bewahre so ein Quad ist, die man auf keinen Fall grüssen darf!

Ganz zu schweigen davon, dass man von vorn gar nicht erkennen kann, ob das vielleicht jemand mit Pinneberger Kennzeichen ist – da wechselt man ja schon als Fussgänger vorsichtshalber die Laufrichtung.

Und selbst, wenn man glaubt das alles bedacht zu haben, muss man sich dann noch blitzschnell entscheiden, wie man grüssen will (wichtig: mit der linken Hand, rechts ist doof, da ist das Gas).

Hier die gängigsten Varianten:

der Nicker – ein kurzes kaum sichtbares Kopfnicken, im Stadtverkehr ist das ok aber auf Landstrassen mit 80km/h oder mehr eher schwer zu erkennen

der gehauchte Gruss, dafür muss man die Finger nur etwas vom Griff lösen, Fortgeschrittene lösen die Finger nacheinander, was einer Wellenbewegung gleichkommt

der Cowboy und Indianer – jetzt Ureinwohner-Gruss, dazu die linke Hand einmal kurz senkrecht in die Luft halten (man kann noch Howdy rufen, hört aber keiner)

der Juhuuuu-Gruss, dafür die Hand hektisch in der Luft hin- und herwedeln, wirkt etwas weiblich aber ist immer ein Hingucker

⁃ Der das-ist-meine-Straße-Gruss – dazu zeigt man mit dem gestreckten Zeigefinger auf den Asphalt neben seiner Maschine

Je nach Bundesland, Fahrtrichtung und Tankfüllung kann es allerdings lokale Abweichungen geben.

Gut, dass wir da mal drüber gesprochen haben!

2 Kommentare zu „Winkekatze

  1. Das Wichtigste aber ist und bleibt: schön aufpassen und auf den Verkehr achten🚗🚕🚙🚑🛵🏍 wäre doch schade um so eine gute Beobachterin🤩
    Gute Fahrt!!

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